Honorary Mention
Ziel unseres künstlerisch-wissenschaftlichen Forschungsprojekts trees: Ökophysiologishce Prozesse hörbar machen war es, Klänge, die in Bäumen durch ökophysiologischer Prozesse entstehen, aufzunehmen und zu verstärken und auf diese Weise für Menschen nicht wahrnehmbare Prozesse in Pflanzen erkennbar zu machen und zu erforschen. Die Schallemissionen eines Baumes in den Schweizer Alpen wurden mit speziellen akustischen Sensoren aufgezeichnet und alle anderen nicht hörbaren ökophysiologischen Messdaten sonifiziert, d.h. in Klänge und Musik übersetzt. Die Aufnahmen und die sonifizierten Messdaten wurden unter dem Titel „treelab“ in unterschiedlichen Medienkunstinstallationen eingesetzt, die gleichzeitig als Forschungsumfeld dienen, um die zeitlichen und räumlichen Verbindungen zwischen Pflanzenklängen, physiologischen Prozessen und Umweltbedingungen in einem künstlerisch-wissenschaftlichen Beobachtungssystem zu untersuchen.
Die meisten Geräusche, die eine Pflanze von sich gibt, entstehen durch Trockenstress. Durstige Pflanzen „schreien“ auf unhörbare Weise; die von Pflanzen abgegebenen akustischen Signale lassen Rückschlüsse auf ihren Zustand und die Umweltbedingungen zu. Während unseres Forschungsprojekts stellte sich heraus, dass unser Beobachtungssystem ein weiteres interessantes Phänomen erlebbar machen könnte: nämlich, wie Pflanzen in Mitteleuropa auf die durch den Klimawandel bedingten immer längeren Hitze- und Trockenheitsperioden reagieren. Die Rekonstruktion und Inszenierung der Lebensvorgänge und Umweltbedingungen eines Baumes in einem künstlerisch-technischen Umfeld brachte neue Beobachtungsmethoden und Möglichkeiten künstlerischen Designs mit einem innovativen Instrument hervor: Korrelationen gemessener Werte und Muster in natürlichen Prozessen zeitigen ästhetische Wirkungen – abstrakte Messdaten finden Widerhall in Bildern und Klängen. Intention unseres Beobachtungsystems ist es, eine umfassende Erfahrung komplexer Datensätze zu schaffen und auf diese Weise ein ganzheitliches Bild der Lebensvorgänge und Umweltbedingungen eines Baumes zu zeichnen, der durch die veränderten klimatischen Bedingungen unter Druck geraten ist.
Credits
Sonifikation und künstlerische Umsetzung: Marcus Maeder, Institute for Computer Music and Sound Technology, Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK).
Wissenschaftliche Daten und Analyse: Roman Zweifel, Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL
Beteiligte MitarbeiterInnen (ICST): Philippe Kocher, Jonas Meyer, Thomas Peter.
Konzeption lmmersive Lab: Jan Schacher, Daniel Bisig, Martin Neukom, Philippe Kocher (ICST).
Unterstützt vom Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF), der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) und der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL
Marcus Maeder (CH) ist Klangkünstler, Forscher und Komponist elektronischer Musik. Er studierte Kunst in Luzern (CH) und Philosophie in Hagen (D); derzeit ist er Doktorand am Departement Umweltsystemwissenschaften an der ETH Zürich. Als Forscher am Institute for Computer Music and Sound Technology (ICST) an der Zürcher Hochschule der Künste arbeitet Maeder in den Bereichen Datensonifikation, akustische Ökologie und Bioakustik sowie an künstlerischen Forschungen zu ökologischen Prozessen und Phänomenen, die mit dem Klimawandel und Umweltthemen zusammenhängen.
Roman Zweifel (CH) studierte Biologie an der Universität Zürich und an der ETH Zürich, wo er mit der Dissertation The Rhythm of Trees (Der Rhythmus der Bäume) promovierte. Er ist Projektleiter an der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL und betreibt das Unternehmen natkon.ch, das Messgeräte und Expertise für ökologische Forschung anbietet. Roman Zweifel verfügt über fundierte Fachkenntnisse zur Physiologie der Bäume und im Bereich Elektronik. Charakteristisch für seine Laufbahn ist die Realisierung von unkonventionellen interdisziplinären Projekten.
Jury Statement
Die Jury überzeugte die unübliche Zusammenarbeit zwischen einem Forstexperten und einem Computermusiker und Klangkünstler, denen es mit ihrem Projekt gelang, den bislang unhörbaren „Gesang der Bäume“ wahrnehmbar zu machen. Durch winzige Mikrofone, die unter der Rinde der Bäume angebracht wurden, werden Erkenntnisse über physiologischen Vorgänge und das Ökosystem des Waldes gewonnen. Aus der Kooperation der beiden resultierte ein gemeinsames Forschungsprojekt, das eine komplexen Umweltdatensammlung und eine Sonifizierung von Daten umfasst. Die Klangmodelle dienen als Instrument, um Muster zu analysieren, Verbindungen zu verstehen und neue Forschungsbereiche sowohl für KünstlerInnen als auch für WissenschaftlerInnen zu erschließen. Die Schönheit der Installation erleichtert dem Publikum darüber hinaus, neue Erfahrungen zu machen und Einsichten zu gewinnen.