Theresa Schubert, mEat me, Performance 06.02.2020, Foto: Tina Lagler, Kapelica Gallery Archive

mEat me

Theresa Schubert

Honorary Mention

Viele Denker des Posthumanismus betonen eine nicht-menschenzentrierte Perspektive auf die Welt, dass wir eine bescheidenere Rolle im Umgang mit der Natur einnehmen und aufhören sollten, Arten zu hierarchisieren. Theresa Schubert zieht daraus eine radikale Konsequenz: Wenn wir den Menschen genauso behandeln wie das Tier, sollten wir auch Material und Nahrung sein. In ihrem künstlerischen Forschungsprojekt und ihrer Performance *mEat me* demonstriert Schubert dieses provokante Szenario als alternative Realität. Mit konsequenter furchtloser Ausbeutung ihres Körpers schafft sie ästhetische Erfahrungen jenseits des menschlichen Exzeptionalismus. Das Verwundbarmachen des Menschen kann auch als Strategie zur Sensibilisierung für biopolitische Themen und einen bewussteren Umgang mit der Natur und ihren Lebewesen insgesamt verstanden werden. Es ist auch eine Kritik an dem ethischen Bild, das die kultivierte Fleischindustrie vermittelt, und daran, dass diese Idee an sich keine Lösung für Umweltprobleme darstellt.

Im Rahmen einer athmosphärenreichen Performance aus Videoprojektionen und Raumklang zeigt *mEat me* den Prozess der menschlichen Fleischgewinnung und den Verzehr des eigenen Fleisches. Die künstlich entwickelte Körperlichkeit des eigenen Fleisches tritt in einen Dialog mit einer durch maschinelle Lernmodelle generierten Stimme. Die ausgetauschten Informationen definieren eine Abstraktionsebene, die unsere Entfremdung in Bezug auf die Nahrungsmittelversorgung widerspiegelt. Schubert macht sich selbst zum Material und zur Ressource und bricht das gesellschaftliche Tabu des Kannibalismus, indem sie eine Technologie missbraucht, die mit der Absicht erfunden wurde, um aus ihr Kapital zu schlagen.

Als künstlerisches Forschungsprojekt wendet *mEat me* innovativen biotechnologischen Fortschritt jenseits eines wissenschaftlichen Zwecks oder monetärer Absichten an. Für den Laborprozess wurde ein aus ihrem eigenen Blut gewonnenes Serum verwendet, um ihre zuvor entnommenen Muskelzellen zu vermehren. Das daraus resultierende kultivierte Menschenfleisch verschiebt normative Grenzen und löst die konsumistische Hierarchie zwischen Mensch und Tier auf. Es greift das drängende Thema der Nahrungsversorgung in Zeiten der Fleischmassenproduktion auf und dessen Relevanz nicht nur für unser Bewusstsein, sondern für unseren Planeten.

Text: Theresa Schubert / Helene Bosecker

mEat me
mEat me, Performance 06.02.2020, Foto: Tina Lagler, Kapelica Gallery Archive

Credits

Artistic direction, performance, video edit, text AI, laboratory co-work: Theresa Schubert
Production: Kapelica Gallery / Kersnikova Institute
Sound design and AI: Moisés Horta Valenzuela
Video camera: Hana Josi
Photo documentation: Tina Lagler
Performance consultation: Margherita Pevere, Mareike Maage
Scientific Partners: EDUCELL laboratories (Dr. Ariana Barlic), BioTehna (Dr. Kristian Talec), Prof. Saša Novak, Kaja Križman – Jožef Stefan Institute, Department for Nanostructured Materials (SI)
Scientific advisors: Dr. Stephen Minger
Special thanks: Freya Probst (root fabric)

mEat me wurde von der Galerija Kapelica in Ljubljana im Jahr 2020 produziert. Dieses Projekt wurde vom Thüringer Programm zur Förderung des weiblichen akademischen und künstlerischen Nachwuchses und der Bauhaus-Universität Weimar gefördert. Das Programm der Galerie Kapelica wird vom Kulturministerium der Republik Slowenien und der Abteilung für Kultur der Stadtverwaltung von Ljubljana unterstützt.

Theresa Schubert (DE) ist eine in Berlin lebende Künstlerin, die unkonventionelle Visionen von Natur, Technologie und dem Selbst erforscht. Ihre Arbeit kombiniert sowohl audiovisuelle als auch biomediale Medien mit konzeptionellen und immersiven Installationen oder Performances. Mittels interdisziplinärer Methoden wie Biohacking, theoretischer Analyse, performativer Interpretation und Materialexperimenten hinterfragen ihre Arbeiten das Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt und die Entwicklung von Materie und Bedeutung jenseits des Anthropos. In jüngster Zeit hat sie mit UHD-Videoumgebungen und 3D-Laserscanning gearbeitet, um Wahrnehmungsmodi herauszufordern und die Mensch-Maschine-Natur-Beziehung in Hypertech-Gesellschaften zu hinterfragen.

Jury Statement

Not since Lee Miller photographed a severed breast on a dinner plate in 1929 and Orlan’s performances of carnal art of the 1990s have we seen human flesh as food for thought. Veganism doesn’t seem too extreme compared to the impressive work of artist Theresa Schubert. Taking our obsession with meat, the realities of gene manipulation, and our food production realities, she really does make us eat hyper-locally. Her videos and photographs explain the process of turning a sample of her own blood cells into lab-grown meat. By treating the human body as just another food choice, her work puts us back into the animal kingdom and Nature where we belong. It’s bold and might even be shocking to some, but the reality is, if we treat our own bodies the way we treat the bodies of the animals that help us both to nourish us and to overcome disease, we might find commonalities instead of differences.

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