Ciutat Vella’s Land-use Plan

300.000 Km/s

Big Data, KDD und Bürgerbeteiligung zur Sicherstellung der Koexistenz zwischen Wirtschaftstätigkeit und Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger

Grand Prize – Innovative Collaboration: Für innovative Zusammenarbeit zwischen Industrie oder Technologie und den Künsten (sowie dem Kultur- und Kreativbereich im Allgemeinen), die neue Wege der Innovation eröffnen.

Das Projekt verkörpert eine neue Art der Stadtplanung. Angetrieben von massiven Informationsmengen (Open Data und Big Data) und durch qualitative Daten aus der Bürgerbeteiligung ergänzt, werden neuartige Methoden der räumlichen Analyse angewandt, die auf maschinellem Lernen und künstlicher Intelligenz basieren, um eine öffentliche Ordnung zu informieren, zu simulieren und zu entwerfen, die den Schwerpunkt auf die Erhaltung der Lebensqualität in Städten legt.

Ciutat Vella

Der Einsatz von Technologie hat den bestehenden Masterplan, der öffentliche Einrichtungen, Lebensmittelgeschäfte und touristische Dienstleistungen im zentralen Stadtteil Barcelona regelt, grundlegend verändert. Das Gebiet hat eine dichte und ungeschützte Bevölkerung, die in einer fragilen urbanen Morphologie lebt. Gleichzeitig weist sie eine hohe Quote an wirtschaftlichen Aktivitäten – spezialisiert auf Freizeitangebote – auf, die negative Auswirkungen auf die Lebensqualität der BewohnerInnen haben, wie Lärm, Sauberkeit, Menschen im öffentlichen Raum und eine zunehmende Logistik.

Angesichts der Komplexität des städtischen Kontextes hat das Projekt vier Phasen durchlaufen, von denen jede ihr eigenes Ergebnis lieferte: Forschung (datengetriebene Diagnose), Ko-Kreation (Bürgerbeteiligung), Vorschlag (Simulationstool) und Genehmigung (Rechtsrahmen).

Die Forschungsphase begann im Oktober 2016 mit der Erstellung von vier Vorstudien vor Beginn des Entwurfsprozesses (April 2017) über die Beschreibung des städtischen Gefüges (Datenatlas), die Auswirkungen nächtlicher Aktivitäten auf die Gesundheit sowie die touristischen Trends und deren Auswirkungen auf den lokalen Handel.

Ciutat Vella

Insbesondere bietet der Datenatlas (bestehend aus über 150 Karten des Bezirks) eine solide Struktur, um das Hauptziel des Plans zu rechtfertigen, die Lebensqualität in den Städten zu erhalten – dank des Einsatzes modernster Technologien (Sensibilisierung, maschinelles Lernen, künstliche Intelligenz) und europäischer Transparenzgesetze, die relevante Informationen über öffentliche Verwaltung, städtische Dienstleistungen und Bürgerverhalten bereitstellen.

Der Datenatlas veranschaulicht und misst nicht nur erstmals die physischen und soziodemografischen Merkmale des städtischen Gefüges, die Art und Sättigung der wirtschaftlichen Aktivitäten sowie die Wege der BürgerInnen und BesucherInnen in der Nachbarschaft, sondern beschreibt auch die Auswirkungen auf die Gesundheit der BewohnerInnen (verursacht durch Lärm, Umweltverschmutzung oder Verletzlichkeit der BewohnerInnen).

Ciutat Vella

Die von TechnikerInnen getriebene Ko-Kreationsphase und die vorangegangene Diagnose haben dank eines partizipativen Prozesses (lokale Einheiten, EinzelhändlerInnen und NachbarInnen arbeiteten zusammen in Workshops, öffentlichen Veranstaltungen, Interviews mit ausgewählten AkteurInnen und Online-Teilnahme über die digitale Demokratieplattform Decidim.barcelona des Stadtrats) und der politischen Einbindung des Stadtrats, der den Plan mitverfasste, einen breiten Konsens erzielt.

Die BürgerInnen waren an einem massiven Datenerhebungsprozess beteiligt, der sie befähigt, Datenhoheitsstrukturen aufzubauen und sich an Entscheidungen auf lokaler Ebene zu beteiligen. Auf der Seite der öffentlichen Stellen schlägt das Projekt ein System zur Information und Bewertung der Stadtplanung und -politik auf europäischer Ebene vor und liefert eine gemeinsame Wissensgrundlage, die zwischen den Städten ausgetauscht und verglichen werden kann.

Parallel zum Beteiligungsprozess basierte die Antragsphase auf einem prädiktiven Modell der wirtschaftlichen Aktivitäten, das darauf abzielte, verschiedene städtische Auswirkungen wie Lärm, Polizeibeschwerden und soziale Verwundbarkeit zu messen und zu antizipieren, was uns zur Entwicklung eines Masterplans mit einer starken parametrischen und dynamischen Komponente führte. Vor der endgültigen Bestätigung haben wir eine Software erstellt, mit der wir verschiedene Szenarien gemäß den regulatorischen Parametern simulieren und den Grenzwert gemäß den Planzielen festlegen konnten.

Ciutat Vella

Der Plan wurde ursprünglich im September 2017 genehmigt, gefolgt von einer Zeit der öffentlichen Information, die nach Einbeziehung der Rückmeldungen verschiedener Akteure zur endgültigen Genehmigung im Februar 2018 führte. Heute ist der Plan seit fast einem Jahr in Kraft. Die Stadtverwaltung wendet den Masterplan mit Hilfe einer Software an, die auf den regulatorischen Parametern basiert und Transparenz schafft sowie den Prozess der Unternehmensgründung einfacher, schneller und zuverlässiger macht.

Als Ergebnis dieses zweijährigen Prozesses betont das Projekt die Rolle der Stadtplanung als Instrument, um die Stadt als Gemeinschaftsgut über den freien Markt zu stellen. Sie schlägt einen innovativen Beitrag anhand einer realen Fallstudie zur europäischen Stadtplanungsdisziplin und zum politischen Rahmen in Bezug auf die Regulierung der Wirtschaftstätigkeit im Sinne der Dienstleistungsrichtlinie vor. In einer wachsenden urbanen Welt müssen wir sicherstellen, dass die europäischen Städte in der Lage sind, das Recht auf die Stadt zu garantieren, d.h. das Recht der BürgerInnen auf Gesundheit, Arbeit, Unterkunft und Freizeit, sowie die Möglichkeit, ein erfülltes Leben im Einklang mit der Wirtschaftstätigkeit zu führen.

Credits

Das Team besteht aus StadtplanerInnen, RechtsanwältenInnen, politischen Führungskräften, ForscherInnen und VermittlerInnen der BürgerInnenbeteiligung, die zusammen über eine umfassende Expertise in der Entwicklung datengetriebener Diagnostik und Stadtplanung verfügen, wobei Technologie, Urbanismus und bürgerschaftliches Engagement zum Aufbau einer lebenswerteren Stadt eingesetzt werden.
HauptautorIn des Masterplans: Mar Santamaria und Pablo Martínez (300.000 Km/s)
BeraterInnen: Graciela Chaia (Juristin), Carlota Casanova und Daniel Lorenzo (technische Berater).
Co-AutorInnen von der Stadtverwaltung von Barcelona: Gala Pin (Stadträtin); Jordi Rabassa, Santi Ibarra und Ferran Caymel (BezirksrätInnen); Mònica Mateos (Bezirksleiterin); Josep Coll, Marc Pinedo und Ana Olalla (Geschäftslizenzabteilung); Yolanda Hernández, Tristan LLusà und Francesc Palau (AnwältInnen); Barcelona City Council Planning Department.
Partizipativer Prozess: Raons Públiques SCCL
Vorstudien: Universitat Autònoma de Barcelona (unter der Leitung von Francesc Muñoz), Barcelona Public Health Agency, TAE und 300.000 Km/s.

300.000 Km/s ist ein urbanes Innovationsbüro mit Sitz in Barcelona, das die Potenziale von Daten und neuen Berechnungsparadigmen untersucht, um relevante Informationen zu gewinnen und die Stadtplanung und Entscheidungsprozesse zu verbessern. Unter der Leitung von Mar Santamaria Varas und Pablo Martinez Diez arbeitet unser interdisziplinäres Team in den Bereichen Stadtanalyse, Kartographie, strategische Planung, Entwicklung digitaler Werkzeuge und digitale Geisteswissenschaften. In den letzten fünf Jahren haben wir mit öffentlichen Einrichtungen, internationalen Unternehmen, kulturellen und wissenschaftlichen Institutionen sowie gemeinnützigen Organisationen zusammengearbeitet.

Unsere Projekte wurden mit verschiedenen Preisen und Auszeichnungen prämiert – unter anderem mit dem BBVA-Civio Data Visualisation Award (2014), Open Data Institute Awards (2016), CityVis Prize (2017), Biennale Española de Urbanismo y Arquitectura (2018) und LLuís Carulla Award (2018) – und wurden unter anderem auf der Biennale von Venedig, dem Chicago Arts Institute, dem Center of Contemporary Culture of Barcelona und dem Madrid CentroCentro ausgestellt.

Jury Statement

„Alphaville“ ist in Jean-Luc Godards bahnbrechendem Film von 1965 mit dem gleichen Titel  eine dystopische Smart City, die von einem zentralen Computerprozessor namens „IBM“ optimiert und folglich regiert wird. Als es um das Jahrr 2000 tatsächlich zu den Anfängen der Implementierung (und des schließlichen Scheiterns) früher Versionen dieser Technologien kam, wurden intelligente Städte als glitzernde Versionen von Alphaville präsentiert. In der heutigen aktualisierten Version von Alphaville sehen wir am Beispiel der Uferpromenade von Toronto, dass es Big Tech sowohl technisch als auch politisch gelingt, uns vertraute Technologien auf unseren Smartphones auf ganze Stadtviertel anzuwenden. Wieder einmal wird wie in Alphaville ein datengesteuertes Ökosystem aufgebaut, in dem sich das Ausmaß der Bürgerbeteiligung auf die bloße Konfiguration von Tools beschränkt, die von übergeordneten Unternehmen entworfen und entwickelt wurden. Und angesichts Godards düsterer Vision von der datengesteuerten Stadt ist es kein Wunder, dass BürgerInnen auf der ganzen Welt heute besorgt sind, was diese zunehmende Integration von Sensoren und Datenerfassung in unseren Städten für unsere gemeinsame Zukunft bedeutet.

300.000 Km/s bietet eine erfrischende Alternative zu Smart City Technologien. Die Initiative aus Barcelona will den von oben nach unten gerichteten, Big Tech-geführten Smart City-Ansatz umkehren, indem sie die Bürger und Bürgerinnen in den Vordergrund stellt und Kunst, Technologie sowie Datenwissenschaft einsetzt, um das Potenzial einer menschenzentrierten Stadtplanung und -innovation freizusetzen. Es wird ein Stadtplan vorgeschlagen, der durch einen groß angelegten partizipativen demokratischen Prozess entworfen wurde und Tausende von BürgerInnen über eine Online-Plattform namens decidim.barcelona involviert. Ziel ist es, die auf dieser Plattform gesammelten Erfahrungen und Erkenntnisse anzuwenden, um die Gentrifizierung in Angriff zu nehmen und ein Gleichgewicht zwischen städtebaulichen Maßnahmen, die dem Tourismus und anderen kommerziellen und wirtschaftlichen Motoren der Stadt dienen, und Maßnahmen, die den täglichen Bedürfnissen der AnwohnerInnen gerecht werden, zu finden. Kann die digitale Ebene beeinflussen, wie StadtplanerInnen mit Fragen der sozialen Gerechtigkeit und Gesundheit umgehen, so dass unsere Städte das Gemeinwohl gegenüber kapitalistischen Gewinnen für einige wenige verteidigen? Können Kunst, Datenwissenschaft und demokratische Partizipation soziale, ökologische und ökonomische Gerechtigkeit in unseren urbanen Räumen wiederbeleben? Im Umgang mit diesen Fragen zeigt uns diese Arbeit einen überzeugenden neuen Weg, Crowdsourcing und Datenanalyse zu verschmelzen, um eine neue kollektive Infrastruktur für eine gemeinsame, prosperierende, urbane Zukunft zu errichten.

Hier ist das ganze Jury Statement.