Honorary Mention
Kurznachrichten konnte man anfangs aus technischen Gründen nur in Schriftzeichen des lateinischen Alphabets versenden. AraberInnen mussten sich in ihrer täglichen Textkommunikation mit der englischen Tastatur abmühen. Sie entwickelten daher ein eigenes System, das ihnen ermöglichte, arabische Sätze in lateinischen Buchstaben zu schreiben. Um arabische Buchstaben darstellen zu können, für die es kein phonetisches Äquivalent in lateinischer Schrift gibt, fügte man dem Alphabet Zahlen hinzu. So steht zum Beispiel die Ziffer „3“ in 3arabizi für den Buchstaben „t“ (Ain). Das System wurde von der Jugend- und Popkultur in der MENA-Region rasch übernommen und ist heute fester Bestandteil ihres Alltags. Manche nennen es „3arabizi“, die User selbst bevorzugen die Bezeichnung „FrancoArabic“.
3arabizi ist eine arabische Chat-Sprache, die für das Texten oder Schreiben in arabischer Sprache verwendet wird. Die NutzerInnen sprechen nicht, sie verwenden einfach ihre Hände und Finger, um damit auf unterschiedlichen Plattformen zu kommunizieren. Die Designerin von 3arabizi entdeckte Verbindungen zwischen diesem System und der Art und Weise, wie Muslime ihre Hände und Finger einsetzen, um in der Dhikr, einer Praxis des Gottgedenkens, den Überblick über ihre Gebete zu bewahren. Sie verwenden entweder eine Fingerspitze, um damit 99-mal die Fingergelenke anzutippen, oder eine Gebetskette, die sogenannte Misbaha oder Subha. Sie konzipierte ein System, um die englische Tastatur mithilfe dieser Zählmethode kontextspezifisch an die MENA-Region anzupassen. Indem aufgezeigt wird, wie wichtig es ist, die richtigen Methoden zu finden, um globalisierte Systeme an eine bestimmte Kultur zu adaptieren, wird implizit auch die Globalisierung thematisiert und hinterfragt.
Das Projekt ist noch in der Konzeptionsphase. 2014 wurde das Konzept entwickelt und die Forschungsphase eingeleitet, 2015 stellte ich das Konzept bei verschiedenen Konferenzen vor und verfasste eine wissenschaftlichen Arbeit, in der ich auch die technische Umsetzung ausarbeitete. Da ich weder Entwicklerin noch Ingenieurin bin, ist der gesamte Produktionsprozess entsprechend zeitaufwendig.
Credits
Unterstützt von der Abteilung Masters of Fine Arts department in Virginia Commonwealth University in Qatar
Foto: Hadeer Omar
Hadeer Omar (EG) ist visuelle Kommunikatorin, freischaffende Filmemacherin und Unternehmerin und verfügt über einen BFA-Abschluss in Grafik-Design sowie einen MFA-Abschluss in Design Studies von der Virginia Commonwealth University in Qatar. Derzeit arbeitet sie als Lehrassistentin am Art Foundation Department der VCUQatar. 2012 gründete sie das Onlineatelier Kroki Design Studio. Ihre Unterrichtserfahrung befähigt sie, Design Thinking in all seinen Ausprägungen in visuellen Prozessen einzusetzen. Hadeer Omar verfügt über umfassende Kenntnisse und Erfahrungen im Bereich grafische Prozesse aus einem breiten Spektrum von Disziplinen, von Werbung über Social Design, Fotografie, Film, digitale Kunst bis hin zu Mixed Media. Sie thematisiert ihre Identität in ihrer Arbeit und versteht es Medien zu manipulieren, um die Geschichte, die jedes Kunstwerk zu erzählen hat, in den Vordergrund zu rücken.
Jury Statement
Obwohl dieses Projekt noch in der Konzeptionsphase ist, überzeugte es die Jury durch seine außergewöhnliche Botschaft, dass Technologie dazu beitragen kann, Diversität und ethnische Integrität zu fördern. Statt eine einheitliche globale Norm zu unterstützen, ruft es in Erinnerung, wie wichtig es ist, zu beobachten, auf welche Weise Menschen sich in ihrer Umgebung austauschen und Dienste entwickeln, die Differenzen in Regionen, Ländern und Kulturen zulassen. Die Weiterentwicklung solcher Ideen, die Achtung und Anerkennung von Diversität fördern, käme vielen zugute und eröffnet gleichzeitig Möglichkeiten für neue hybride Kommunikationssysteme.