The Substitute

Alexandra Daisy Ginsberg

Nomination

Am 20. März 2018 kündigten Schlagzeilen den Tod von Sudan an, dem letzten männlichen nördlichen Breitmaulnashorn (Ceratotherium simum cottoni). Wir trauerten kurz um eine Subspezies, die dem menschlichen Verlangen nach den vermeintlich lebensverbessernden Eigenschaften ihres Horns zum Opfer gefallen war, und trösteten uns damit, dass sie mit Hilfe der Biotechnologie zurückgebracht werden könnte, wenn auch von einer anderen Subspezies ausgetragen. Aber würde der Mensch ein wiederauferstandenes Nashorn schützen, nachdem er eine ganze Spezies ausgerottet hat? Und würde es dieses neue Nashorn wirklich geben?
The Substitute erforscht ein Paradoxon: unsere Bemühungen, neue Lebensformen zu schaffen, während wir die bestehenden vernachlässigen. Ein nördliches Breitmaulnashorn wird digital wieder zum Leben erweckt, gestützt auf die Entwicklungen bei der menschlichen Erschaffung der künstlichen Intelligenz (KI). Basierend auf Forschungsergebnissen des KI-Labors DeepMind tritt das Nashorn als künstlicher Agent auf, als autonome Einheit, die von ihrer Umgebung lernt. Eine lebensgroße Projektion, 5 m breit, zeigt das künstliche Nashorn in einer virtuellen Welt, die „realer“ wird, indem sie die Grenzen des Raums erfasst. Während sich das künstliche Nashorn an seinen Raum gewöhnt, wechseln seine Form und sein Klang von verpixelt zu lebensecht – und erinnern die BetrachterInnen daran, dass dieses lebende, atmende Nashorn, das ohne seinen natürlichen Kontext zum Leben erwacht, völlig künstlich ist. Die experimentellen Daten werden auf einem zweiten Bildschirm abgespielt, der den Weg und die Entwicklung der Navigationszellen zeigt. Die Verhaltensweisen und Geräusche des Nashorns wurden aus seltenen Forschungsaufnahmen der letzten Herde adaptiert, bereitgestellt von Dr. Richard Policht. Ist dieses Nashorn, das losgelöst von seinem natürlichen Kontext zum Leben erwacht, ein besserer Ersatz für das echte Nashorn?

Credits

Alexandra Daisy Ginsberg (Dr. Alexandra Daisy Ginsberg, Johanna Just, Ness Lafoy, Ioana Man, Ana Maria Nicolaescu). The Mill (Art Director: Adam Parry; Executive Producer: Jarrad Vladich; Senior Producer: Kelly Woodward; Animation Supervisor: Paul Tempelman; Animators: Kieran Jordan, Maxime Cronier, Kevin O’Sullivan, and James Hickey; Unreal Developers: Roberto Costas, Mark Dooney, Haydn Roff, and Ed Thomas; Model and Rig: Andreas Graiche and Daniel Weiss). Sound: Chris Timpson, Aurelia Soundworks. Special thanks to Andrea Banino/DeepMind and Dr. Richard Policht. Commissioned by the Cooper Hewitt, Smithsonian Design Museum, and Cube design museum, 2019.

Die Künstlerin Alexandra Daisy Ginsberg (GB) setzt sich mit unseren belasteten Beziehungen zu Natur und Technik auseinander. Anhand verschiedenster Themen wie künstliche Intelligenz, synthetische Biologie und Naturschutz untersucht sie den menschlichen Drang, die Welt zu „verbessern“. Daisy ist Hauptautorin von Synthetic Aesthetics: Investigating Synthetic Biology’s Designs on Nature (MIT Press, 2014), und schloss 2017 Better, ihre Doktorarbeit, am Royal College of Art ab, in der sie sich mit der Frage beschäftigte, wie mächtige Träume von einer „besseren“ Zukunft unser Design prägen. Daisy stellt international aus, unter anderem im MoMA, im Museum für Zeitgenössische Kunst in Tokio, im Centre Pompidou und in der Royal Academy, und ihre Arbeiten befinden sich in Museums- und Privatsammlungen.